Der heutige Tag Datum ist in mehrfacher Hinsicht denkwürdig.
Vor 75 Jahren am 2. Juni 1941, mit dem Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjet-Union , begann euphemistisch „Unternehmen Barbarossa” genannt, das größte Verbrechen, das Menschen in der Geschichte je begehen sollten, der verheerendste Krieg, das schrecklichste Kapitel unserer Geschichte. Eine kriminelle Unternehmung. Aus der Position moralischer Überlegenheit der Deutschen gegen die Untermenschen „DIE RUSSEN”. 27 Millionen tote Russen. Durch die raschen Eroberungen gab es endlich Orte wo man außerhalb des damaligen Reichsgebiets morden konnte. Für mich unverständlich, warum nicht in diesen Tagen, dem 75. Jahrestag, ein umfassendes Gedenken gewidmet wurde. Damals haben wir schwere Schuld auf uns geladen. In den 30er Jahren begann diese menschendiffamierende Ab- und Ausgrenzung, “Die Juden”! die „Zigeuner”. Die Sprache verrät viel, die Massenvernichtung, der Holocaust, begann, Friedrich Schiller “Das ist der Fluch der bösen Tat, dass sie fortzeugend Böses muss gebären”.
Heute vor 227 Jahren genau an diesem Tag, am 14. Juli 1789 begann die französische Revolution mit dem Sturm auf die Bastille, das Staatsgefängnis, Sinnbild der königlichen Tyrannei, Ende der Unterdrückung. Seit 1880 ist diese Juli-Revolution frz. Nationalfeiertag. Auf der Grundlage der Aufklärung wurden die Menschenrechte, die Menschenwürde aller Menschen verkündet. Ein Traum schien wahr zu werden
Mit dieser Veranstaltung gedenken wir der Opfer des Nazi-Regimes, des Genocids. Diese Gedenkstätte „Zeichen der Erinnerung”, steht für die Geschichte, die Anerkennung, die Erinnerung an die Leiden, die Erwartungen dieser Menschen, gegen das Vergessen, für ihre und unsere Zukunft. Auch dass der Traum Menschenrechte endlich wahr werde. Die Alternative zur zivilisatorischen Katastrophe der Moderne ist eine Zivilisation des Erinnnerns. Unsere Gesellschaft ist in Bezug zu Erinnern, Erinnerung, Gedächtnis sehr zurückhaltend, jedoch lebensnotwendig. Erich Kästner “Erinnerungen sind der einzige Besitz, den uns niemand stehlen kann“.
Erinnern war in der alten Bundesrepublik lange Zeit ein Fremdwort. Die Ungeheuerlichkeiten der NS-Zeit wurden von der Kriegs- und Nachkriegsgeneration tabuisiert/relativiert. Anscheinend haben wir alle Wasser des Flusses Lethe, im Hades der Griechen, getrunken, was ja alle Erinnerung auslöscht? Wir ließen viel Zeit verstreichen, 75 Jahre, bis wir uns an das dunkelste Kapitel unserer Geschichte, die NS-Zeit, erinnerten, es dauerte fast zwei Generationen nach 1945 bis wir uns an diesen Ort erinnerten. Die Vorgeschichte dieses Orts, der Umgang mit der Gestapo-Leitzentrale, dem Hotel Silber beschämend. Das Erinnern wird jedoch immer wichtiger, immer schwieriger. Es leben unseres Wissens nur noch zwei, die uns in den vergangenen Jahren besuchten, Inge Auerbacher in den USA und Gary Fabian in Australien. In wenigen Jahren wird es keine Zeitzeugen mehr geben. Das Gedächtnis reicht dann noch weniger weit zurück.
Das Erinnern ist „als Politik, Therapie und Ästhetik ein gesellschaftliches, uns alle angehendes Projekt”, das man radikal betreiben muss. Die Letzten. Diese Erinnerungsarbeit kann aber nur darin bestehen, durch die gespürte Gegenwart, und das ist immer etwas Örtliches, Geschichte wahrnehmbar zu machen. Erinnerungsfähigkeit bedarf einer festen Verortung, Erinnern ohne Ort ist blind. Wir benötigen Orte der „gewussten Vergangenheit”, Spuren des grauenhaften Geschehens, “Narben erzählen mehr als glatte Haut”.
Peter Handke: „Mein einziger Glaube ist wohl der an die Kraft der Orte, ihre Erinnerung, und die Orte sind im Schwinden.“Er meinte damit sowohl die geistig-gedanklichen Orte, als auch die sinnlich wahrnehmbaren, die räumlichen Orte, Gebäude, Städte, Elemente. Denn an konkreten Orten kann den Menschen Erfahrung vermittelt werden. Orte der Erinnerung, “dieses Zeichen der Erinnerung” werden immer wichtiger Schon damals war er entsetzt über den gedanklichen, den oberflächlichen Umgang mit der Geschichte, den Charakteristika, dem Erbe. Den Orten darf nicht ihre Erzählfähigkeit als „Texte” vergegenständlichter Geschichte geraubt werden, Beklagt den Verlust der Orte, des „begehbaren Gedächtnis der Stadt” altdeutsch Heimat, neu deutsch Identität. Übereinstimmung mit sich selbst, als Person, Kollektiv. Untrennbar verbunden mit dem kulturellen, historischen Erbe Daraus schöpft ihre Erinnerung, ist ihre Persönlichkeit.
Erinnerung ist eine Arbeit, die mit Verlusten rechnet, im Bewusstsein des Nie-mehr-wie-früher-Werdens, die Unwiederbringlichkeit als Schmerz zu Bewusstsein kommen lässt, auch Scham über vergangene Taten, Irrtümer.
Politiker, Techniker können immer nur vorschlagen/sich vorstellen, was sie schon kennen. Diese Beschränktheit verstecken sie hinter ihrem Begriff von Realität. Die Folge ist der unendliche Fortschritt in den Verlust, den Verlust von Sein, von Zukunft. Die Welt/Stadt spricht nicht mehr zu uns, wird zur banalen, unmenschlichen Maschine, Instrument der Bedürfnisbefriedigung. Damit wird uns das Zutrauen zur Welt, die Sicherheit unserer Welterfahrung genommen.
Stadt ist Denk‑, Kultur‑, Lernwerkstatt, Gedächtnis. Erinnerung muss an vielen Orten der Stadt wahrnehmbar gemacht werden. Als Bilder, die weitere Bilder generieren. Stadtarchitektur muss wieder Spiegel der Welt sein, verweisen auf eine Zivilisation des Erinnerns. Aus der Fülle subjektiver Bildproduktionen entsteht kollektives Gedächtnis als erinnernde Vergangenheit. Ist der beste Begleiter „aus dem Einst, dem Jetzt ins Demnächst”.
Wir haben vergessen, wir Menschen bestehen aus Bildern und aufgrund von Bildern. In ihnen und durch sie sind und werden wir. Wir erinnerten uns an nichts, würden wir unsere Bilder verlieren. Ohne sie gäbe es die Welt nicht. Und ohne sie, gäbe es auch uns nicht.
Wir sind, was wir erinnern, indem wir uns den Erinnerungen stellen, die mich sehen, das Schweigen in uns zum Sprechen bringen. Handeln gegen Nicht-Wissen, Bequemlichkeit, Gesicht zeigen im Alltag, Aufgabe der Wand der Namen, da wird der Erinnerung ein Gesicht gegeben. Der einzige Ort der Welt an dem diese Menschen sichtbar sind, zu uns sprechen. Die deutsche Sprache ist manchmal phänomenal: Verinnerlichung und Erinnern haben dieselbe Stammsilbe. Da wird gesagt: Erinnerung ist ein innerer, ein individueller Vorgang, Sein und Erinnern bedingen sich wechselseitig. Wirklichkeit formt sich nur in und mit Erinnerung. Ich fordere uns, mich auf, sich den Erinnerungen zu stellen, Erinnerungsarbeit zu leisten, Wunden offen lassen, Gesicht zeigen, Verantwortung übernehmen, Handeln gegen die Gefährdungen, Zeichen für die Zukunft setzen, Wärme in unserer kalten Welt verbreiten.
Darin werden wir nicht nachlassen. Nicht aufhören in dem Bemühen, die Taten, die Opfer, die Täter der Anonymität zu entreißen, dass nie wieder so etwas geschieht. Geschichte ist nur als erinnerte, nach vorne gewandte Geschichte präsent. Dass Töpfers „Unsere eine Welt“ Wirklichkeit wird, die Menschenrechte allen zugutekommen, der Traum vom Europäischen Haus Wirklichkeit wird.