Dr. Christoph Palmer (Minister a.D. des Landes Baden-Württemberg) · Ansprache am 15.03.2008 · Gedenkstätte „Zeichen der Erinnerung“
Sehr geehrte Damen und Herren,
gerne darf ich für den Landtag von Baden-Württemberg Grüße zu dieser eindrucksvollen und notwendigen Gedenkveranstaltung überbringen. Jährlich führt der Landtag zum 27. Januar, dem von Bundespräsident Roman Herzog proklamierten Auschwitz-Gedenktag, selbst Erinnerungsveranstaltungen für die Opfer-Gruppen durch. Umso mehr begrüßen wir die heutige Initiative in Stuttgart.
Besonderer Dank an:
– Verantwortliche von „Zeichen der Erinnerung”: um Professor Roland Ostertag
– die deutsche Zeitgeschichte schreibende „Stolperstein-Initiative” um Gunter Demnig und hier in Stuttgart Harald Stingele
– den Landesverband Deutscher Sinti und Roma um seinen verdienstvollen Landesvorsitzenden Daniel Strauß, mit dem ich viele Jahre vertrauensvoll zusammenarbeiten durfte
– den Diözesanhistoriker Dr. Stephan M. Janker, der die schwierige Aufgabe übernommen hat das spärliche Archivmaterial und die Berichte der Überlebenden und Zeitzeugen zu dokumentieren.
– Ich freue mich besonders, dass auch die Israelitische Religionsgemeinschaft Württembergs durch Frau Barbara Traub ein Wort der Verbundenheit spricht. Mit einer Opferbilanz von über sechs Millionen Ermordeten bleibt die Shoa an den Europäischen Juden auch in Zukunft im Zentrum der Erinnerung.
- Es ist beschämend, wie spät die Opfergruppe der Sinti und Roma in den Blick der Beschäftigung mit der Vergangenheit geriet.
– Das haben die Sinti und Roma mit anderen Opfergruppen des Nationalsozialismus gemeinsam: Ich nenne nur die Zeugen Jehova oder Homosexuelle als Beispiele.
– auch die planmäßige Ermordung der Behinderten rückte erst relativ spät in den Focus
– die Ableitung daraus heißt: Das Erinnern und das Gedenken an den menschenverachtenden Wahnsinn, den historisch singulären Völkermord des Hitler-Regimes, gilt allen Opfern, völlig unabhängig von der jeweiligen, immer gleich irrsinnigen Begründung, die den barbarischen Schreckenstaten zugrunde gelegt wurde. Es gibt keine Opfer erster und zweiter Ordnung.
- Der von Deutschland ausgehende Zivilisationsbruch der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstammt den Lehrbüchern des Rassismus, dem chauvinistischen Wahn, dass es Menschen unterschiedlichen Wertes gäbe.
– Deshalb muss man immer wieder den anthropologisch-ethischen Gegenentwurf herausstellen:
– Das jüdisch-christliche Menschenbild der Bibel lautet: Jeder Mensch ist Ebenbild Gottes und bezieht daraus seine unabänderliche Würde und Einzigartigkeit.
– Die Ableitung des demokratischen Rechtsstaates, gegossen in den zeitlosen, wundervollen Eingangssatz des Grundgesetzes, quasi das Fundament unserer Verfassung lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.”
- In diesem Geiste wollen wir die Erinnerung in größtmöglicher Wahrhaftigkeit pflegen.
← Gabriele Müller-Trimbusch |