Gedenkveranstaltung 15.März 2013, 13.30 Uhr, Gedenkstätte ZdE ⋅ 70 Jahre Deportation
Beitrag von Roland Ostertag
Im Namen des Vereins Zeichen der Erinnerung, des Verbandes Deutscher Sinti und Roma, begrüße ich Sie sehr herzlich, besonders die Referenten, die Herren Dr. Schairer, Prälat Klumpp, Daniel Strauß.
Zum Ablauf. Um 14.15 Uhr müssen wir fertig sein, um 15.00 Uhr beginnt die Veranstaltung in der Domkirche, um 16.30 Uhr im Schloß.
Ein trauriger Anlass. Sehr spät, fast zu spät, doch nie zu spät, gedenken wir zum dritten Mal der Deportation vor 70 Jahren von 234 Sinti und Roma Frauen, Kinder, Alte von hier direkt nach Auschwitz. Dort sofort ermordet, wenige überlebten. Dies der einzige Ort in der Welt an dem sie verewigt sind. Zeichen ihres Lebens.
Sechs Millionen Juden, 500.00 Sinti und Roma wurden unter der Nazi-Herrschaft ermordet. Völkermord, Genocid, Holocaust, Schoa, Porajmos, das große „Verschlingen“, in der Sprache der Roma. Die Errichtung der Mahnmale für die Juden, die Homosexuellen, die Sinti und Roma in Berlin dauerten unverständlich lange 60, 65, 70, 75 Jahre. Am 24. Oktober 2012 wurde das Mahnmal für die ermordeten Sinti und Roma in Berlin eingeweiht. Unverständlich auch die Trennung der Mahnmale der Opfergruppen. Warum hat es die Politik, wir, nicht geschafft, für alle Verfolgten, Umgebrachten, ein gemeinsames Mahnmal zu errichten? Gemeinsam in den Tod geschickt, jedoch getrennte Orte des Gedenkens. Wenigstens diese Gedenkstätte in Stuttgart gemeinsam für Juden, Sinti und Roma seit 2008.
Beschämend, dass nach 1945 die Diskriminierung, Fremdenfeindlichkeit, der Antiziganismus, fortgesetzt wurde. Eine „Stunde Null“ gab es nicht „Aus SS-Männern wurden Polizisten“. Die 50er und 60er Jahre waren „vom Großen Vergessen und Verdrängen“ geprägt. Jahrzehnte dauerte es, die Mehrheitsbevölkerung, die Täter, zu überzeugen, dass auch die Sinti und Roma im 3.Reich verfolgt/ermordet wurden. Ein dunkles Kapitel unserer Geschichte
Romani Rose, der Vorsitzende beklagt bei der Einweihung in Berlin: “Bis vor wenigen Jahren waren wir ausgeschlossen „von jeder moralischen, rechtlichen und politischen Entschädigung“. Seine Hoffnung sei, „dass der Holocaust, der Porajmos an den Sinti und Roma Teil des historischen Gedächtnisses unseres Landes, Deutschlands, wird“.
Zoni Weisz, einer der letzten Zeitzeugen, vor dem Mahnmal. “Endlich ein Zeichen, eine Anerkennung für das von unserem Volk durchlebte unfassbare Leid“. ENDLICH das in Berlin im Mittelpunkt stehende Wort. Ein kreisrundes Becken mit Wasser, ein abgrundtiefer Spiegel, ein „See von Tränen“, in dem sich der Himmel, mal dunkel, mal hell spiegelt. Am Rand des Wasserbeckens die Zeilen des Gedichtes „Auschwitz“
“Eingefallenes Gesicht/erloschene Augen/kalte Lippen/Stille/ein zerrissenes Herz/ohne Atem/ohne Worte/keine Tränen.”
Wir haben eine besondere Verpflichtung gegenüber den Sinti bei uns, Deutsche wie wir, katholischen Glaubens. Mitten in Europa leben heute wieder Millionen wie „auf einer Insel der Dritten Welt in der Ersten“. Die Roma sind nach wie vor Fremde in der Gesellschaft, im jeweiligen Land. 20 Prozent latenter Fremdenfeindlichkeit bei uns laut Untersuchungen.
Die Lösung der Roma-Problematik kommt nur mühsam voran.„Tagebuch einer Schnecke“. Die Frage ist berechtigt: soll sie in der bisherigen Art und Weise vorankommen? Sie sind und werden es bleiben, unangepasst, an die umgebende Lebenswelt. Viele werden weiterhin als „fahrendes Volk“ zwischen den Staaten Europas wandern, hoffnungslos hoffend. So kann es nicht bleiben. Nachdenken zwingt uns Begriffe wie Anpassung, Integration, Toleranz, anders zu betrachten. Anstelle äußerlichem Anpassen/Andersartigkeit akzeptieren, ja begrüßen. Anstelle Integration in Bestehendes/Aufeinanderzugehen,-zuhören. Anstelle Toleranz/Duldung /Respekt/Achtung auch von und gegenüber Anderen. Anstelle Einheits-Mehrheitsgesellschaft /Mannigfaltigkeit, Heimat nicht als äußerlich-örtliche/sie auch als eine innere Kategorie auffassen. Heimat ist der Ort wo ich verstehe und ich verstanden werde.
Endlich akzeptieren, kein Mensch ist dafür verantwortlich, mit welcher Hautfarbe, Sprache in welchem Land er geboren wurde. Wir sind zu demselben Leben geboren, alle sind Menschen. Denken Handeln in Nationalstaaten müssen wir überwinden. Mit Europa, nicht des EURO, sondern der Regionen, einer offenen, streitbaren Zivilgesellschaft, damit verbundener Verantwortung sind wir auf dem richtigen Weg. Das Mahnmal in Berlin ein kleiner Schritt. Vielleicht stellen wir fest, dass die Sinti und Roma in mancher Hinsicht weiter sind wie wir, dieser Entwicklung voraus sind. Freizügig, gebunden-ungebunden, nicht auf Staaten bezogen eher auf Regionen. Ein langer, mühsamer Weg noch vor uns, Geduld und Hartnäckigkeit erforderlich. Sisyphos unser Vorbild. Wenn alle sich bemühen, wir, die Politik, die Sinti und Roma, werden wir es schaffen.
UND: Die Hoffnung nicht aufgeben,wie einen Brief ohne Adresse.