Dienstag, 25.06.2024 · 19 Uhr · Hospitalhof Stuttgart
Musik:
Frühlingsrede an einen Baum im Hinterhaushof
Ich bitte Sie sehr, zu blühen, Herr Baum,
vergessen Sie nicht: es ist Frühling!
Streiken Sie wegen dem furchtbaren Lichthof?
Streiken Sie wegen der schrecklichen Zinskaserne?
Sie werden doch nicht so unmöglich sein, vom grünen Walde zu träumen.
Anpassung an das Milieu, wenn ich bitten darf!
Vielleicht meinen Sie, daß es überflüssig ist in unsrer Zeit zu blühn?
Was sollen junge, zarte Blätter auf den Barrikaden?
Damit hätten Sie gar nicht Unrecht Herr Baum!
Vergessen Sie: es ist Frühling.
(Erwin Ratz/Hanns Eisler, 1929)
Begrüßung - Monika Renninger
Grußworte
Prälatin Gabriele Arnold, Evangelische Landeskirche in Württemberg
Direktorin Dr. Cornelia Hecht-Zeller, Haus der Geschichte Baden-Württemberg, für das Land Baden-Württemberg
Bürgermeisterin Isabel Fezer, Landeshauptstadt Stuttgart
Musik:
Elegie 1939
Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten.
Eine glatte Stirn deutet auf Unempfindsamkeit hin.
Der Lachende hat die furchtbare Nachricht
nur noch nicht empfangen. Was sind das für Zeiten,
wo ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist,
weil es Schweigen über so viel Untat einschließt.
Der dort ruhig über die Straße geht,
ist nicht mehr erreichbar für seine Freunde, die in Not sind.
Man sagt mir: Iß und trink, sei froh, daß du hast.
Aber wie kann ich essen und trinken,
wenn ich den Hungrigen entreiße, was ich esse,
und mein Glas Wasser einem Verdurstenden fehlt.
Und doch trinke und esse ich. Ich wär auch gern weise.
In den alten Büchern steht, was weise ist:
sich aus dem Streit der Welt halten.
Seine kurze Zeit ohne Angst verbringen.
Seine Wünsche nicht erfüllen,
sondern vergessen. Alles das kann ich nicht.
Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten.
(Bertolt Brecht / Hanns Eisler, 1939)
Vortrag
Dr. Carsten Kretschmann – Universität Stuttgart, Historisches Institut
Text hier zum Download
Musik:
Kälbermarsch
Hinter der Trommel her
Trotten die Kälber
Das Fell für die Trommel
Liefern sie selber.
Der Metzger ruft. Die Augen fest geschlossen
Das Kalb marschiert mit ruhig festem Tritt.
Die Kälber, deren Blut im Schlachthof schon geflossen
Sie ziehn im Geist in seinen Reihen mit.
Sie heben die Hände hoch
Sie zeigen sie her
Sie sind schon blutgefleckt
Und sind noch leer.
Der Metzger ruft. Die Augen fest geschlossen
Das Kalb marschiert mit ruhig festem Tritt.
Die Kälber, deren Blut im Schlachthof schon geflossen
Sie ziehn im Geist in seinen Reihen mit.
Sie tragen ein Kreuz voran
Auf blutroten Flaggen
Das hat für den armen Mann
Einen großen Haken.
Der Metzger ruft. Die Augen fest geschlossen
Das Kalb marschiert mit ruhig festem Tritt.
Die Kälber, deren Blut im Schlachthof schon geflossen
Sie ziehn im Geist in seinen Reihen mit.
(Bertolt Brecht / Hanns Eisler, 1942)
Grußworte
Prof. Barbara Traub, Israelitische Religionsgemeinschaft Württemberg
Ralf Bogen, Der Liebe wegen / Zentrum LSBTTIQ Stuttgart
Dr. Tim Müller, Landesverband Sinti und Roma, Mannheim
Musik:
Und ich werde nicht mehr sehen
Und ich werde nicht mehr sehen
das Land, aus dem ich gekommen bin,
nicht die bayrischen Wälder, nicht das Gebirge im Süden,
nicht das Meer, nicht die märkische Heide, die Föhre nicht,
noch die Weinhügel am Fluß im Frankenland,
nicht in der grauen Frühe, nicht am Mittag,
und nicht, wenn der Abend absteigt.
Noch die Städte, noch die Stadt,
wo ich geboren bin, nicht die Werkbänke,
und auch die Stube nicht mehr, und den Stuhl nicht.
All das werd ich nicht mehr sehen,
und keiner, der mit mir ging,
wird das alles noch einmal sehen,
und ich nicht und du nicht werden
die Stimmen der Frauen und Mütter hören,
oder den Wind über dem Schornsteine der Heimat,
oder den fröhlichen Lärm der Stadt,
oder den bitteren.
(Bertolt Brecht / Hanns Eisler, 1942)
Dank - Andreas Keller
Musikalische Gestaltung:
Alessia Park, Sopran; Michael Sattelberger, Klavier
Die Ausstellung im Hospitalhof war vom 25.06. – 22.08.2024 geöffnet.
Das Buch ist dort (und in der Buchhandlung “Buch und Musik” – Büchsenstr. 36) erhältlich.
132 Seiten, viele Abbildungen, Format 22,0 x 28,2 cm, Umschlag 8 Seiten
ISBN 978–3‑934320–65‑9