* 11. Juli 1890 in Bad Cannstatt,
† vor dem 18. Januar 1945 in Sachsenhausen
»Noch könnt ihr handeln!«
Die Hilfe für einen Freund wird Fritz Elsas zum Verhängnis: Nach dem misslungenen Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 gewährt der gebürtige Cannstatter dem Mitverschwörer Carl Goerdeler Unterschlupf. Schon vor dem Krieg war Elsas zum wichtigen Kontaktmann zwischen dem Widerstandskreis um Goerdeler und anderen Widerstandsgruppen geworden. Diesmal jedoch werden er und Goerdeler im Garten seines Berliner Hauses beobachtet und denunziert. Am 10. August 1944 verhaftet die Gestapo Elsas und inhaftiert ihn mehrere Monate lang. Folter und Deportation ins Konzentrationslager Sachsenhausen folgen. Dort wird Elsas im Januar 1945 »im abgekürzten Verfahren« erschossen.
Vom »Hilfsarbeiter mit dem fortlaufenden Tagegeld von 10 Mark« im Stuttgarter Rathaus zum Zweiten Bürgermeister der Stadt Berlin – Elsas versteht die Politik als Berufung. Aufgewachsen in einer liberalen jüdischen Unternehmerfamilie entwickelt er ein demokratisches und soziales Bewusstsein, das der Doktor der Staatswissenschaften während seines elfjährigen Dienstes für die Stadt Stuttgart unter Beweis stellt. 1915, in Kriegszeiten, macht der Stuttgarter Oberbürgermeister Karl Lautenschlager ihn zum Leiter des neu geschaffenen Mehlhauptamtes. Schnell gewinnt er an Bedeutung, sein Zuständigkeitsbereich wird zum Städtischen Lebensmittelamt erweitert und bei Kriegsende leitet der Achtundzwanzigjährige acht Abteilungen. »So hat er die Lebensmittelversorgung Stuttgarts in einer Weise organisiert, dass sie als eine der besten in ganz Deutschland galt«, rühmt ihn der spätere Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Reinhold Maier. Sofort nach Kriegsende wird Elsas Mitglied in der neu gegründeten Deutschen Demokratischen Partei (DDP), für die er 1924 in den Landtag gewählt wird. In seinen publizistischen Veröffentlichungen dieser Zeit offenbart er eine tiefe republikanische Überzeugung. Sein Ruf als fleißiger, kluger Stadtbeamter reicht über Württemberg hinaus: 1926 wird er Vizepräsident des Deutschen und Preußischen Städtetags und siedelt mit seiner Frau Marie und den drei Kindern nach Berlin über. Der Höhepunkt seiner Laufbahn ist die Wahl zum Zweiten Bürgermeister der Hauptstadt im April 1931. Elsas publiziert in verschiedenen Zeitungen und appelliert an die republikanische Gesinnung der Bevölkerung, die Gefahr des nationalsozialistischen Extremismus schon vor Augen: »Seid ihr, Bürger, wie eure Gegner sagen, wirklich ganz überaltert, geschwächt, verfallen, der Ohnmacht preisgegeben? […] Noch könnt ihr handeln!« Elsas’ liberal-politisches Engagement führen zusammen mit seiner jüdischen Herkunft zu seiner Zwangsentlassung und Hinrichtung. In Stuttgart erinnert die zentral gelegene Fritz-Elsas-Straße an den unbeugsamen Demokraten. cp
Aus dem Stuttgarter Rathaus 1915–1922. Erinnerungen von Fritz Elsas (1890–1945). Hrsg. von Manfred Schmid. Stuttgart 1990 (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart, Bd. 47).