* 23. Dezember 1888 in Neuwied,
† 5. Oktober 1953 in Lehnitz
»Ist dies Deutschland zu verstehen?!«
Kurz nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933 verlässt Friedrich Wolf, Arzt, Schriftsteller und KPD-Mitglied, fluchtartig Familie, Haus und Praxis in der Zeppelinstraße 43, um sich der drohenden Verhaftung zu entziehen.
Während seiner sieben Jahre in Stuttgart war er prominent und zu einer kulturellen Leitfigur der Linken geworden: durch sein medizinisches Standardwerk (Die Natur als Arzt und Helfer), seine zehn politischen Zeitstücke (darunter Cyankali – § 218), seine experimentellen Hörspiele oder die kulturpolitischen Essays, wie z. B. »Kunst ist Waffe!«. In die Stuttgarter Politik mischt er sich ein als Kandidat bei den Gemeinderatswahlen 1931, als Volkshochschuldozent für Gesundheitslehre und Sexualaufklärung und als Gründer, Leiter und Autor des Agitproptheaters »Spieltrupp Südwest«. Wegen seines Kampfes gegen den Abtreibungsparagraphen 218 wird er 1931 in Stuttgart inhaftiert und nach Massenprotesten freigelassen. Der charismatische Redner und Sportler »war den Faschisten dreifach verhasst: Er ist Kommunist, er ist Jude und er ist ein revolutionärer Schriftsteller« (Sergej Tretjakow).
Die Nationalsozialisten werfen 1933 die Bücher des »Volksschädlings« in die Scheiterhaufen, Haus und Vermögen werden enteignet, Wolf muss mit seiner Familie ins Exil, zuerst nach Frankreich und dann in die UdSSR. Nach Kriegsende zerschlägt sich die erhoffte Rückkehr ins geliebte Stuttgart. Wolf lässt sich in Lehnitz bei Berlin nieder und übernimmt wichtige Funktionen im kulturellen Leben der DDR. Das Motto seines Lebens: »Von Niederlage zur Niederlage zum Sieg!« mk/dm
Michael Kienzle/Dirk Mende: Friedrich Wolf. Die Jahre in Stuttgart 1927–1933. Ein Beispiel. Stuttgart 1983.