Zeichen der Erinnerung
heißt diese Gedenkstätte und dies wollen wir heute geben:
ein Zeichen der Erinnerung für 441 jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger, die heute vor 79 Jahren genau von hier deportiert wurden – „nach Osten“ / übersetzt: in das Transitghetto Izbica bei Lublin, von wo aus sie kurze Zeit später in den umliegenden Todesfabriken der Nazis ermordet wurden.
Diese Deportation war die zweite große aus Stuttgart, vorausgegangen war am 1. Dezember 1941 ein Zug nach Riga mit 1000 Opfern, ihr folgen sollte eine dritte, ebenfalls mit etwa 1000 Opfern am 22. August 1942 nach Theresienstadt. Dies setzte sich fort bis Februar 1945 wie auf der Tafel am Eingang zu sehen ist. Besonders erwähnen möchte ich noch den 15. März 1943: 243 Sinti und Roma wurden von hier nach Auschwitz deportiert und dort umgebracht.
Diese 441 Menschen wurden zuvor in der „Ländlichen Gaststätte“ auf dem Killesberg unter schrecklichen Bedingungen ab dem 24. April kaserniert. Sie kamen aus vielen Orten Württembergs und Hohenzollern, auch aus Baden, sogar aus Luxemburg und Trier.
Am 26. April 1942 öffnete nach der Winterpause wieder die Gartenschau auf dem Killesberg – im frühen Morgen dieses 26.4. mussten die mehr als 400 Menschen von der Ländlichen Gaststätte zum Inneren Nordbahnhof gehen.
Je länger ich lebe, desto besser weiß ich, was damals geschah und desto weniger kann ich es begreifen und umso wichtiger ist es mir und allen Aktiven in der Erinnerungsarbeit in Stuttgart, dass diese Gräuel nicht vergessen werden und wir uns mit diesem Wissen gegen jede Ausgrenzung wenden, insbesondere gegen jeden Antisemitismus, dem wir neuerdings in vielfältiger Form wieder begegnen.
Die Gedenkstätte wurde im Juni 2006 eingeweiht und entstand – wie fast alles in diesem Bereich – auf Grund bürgerschaftlichem Engagements und gegen große Widerstände, denn ursprünglich war auch dies Areal Teil der Stuttgart-21-Fläche.
Vielen Personen gebührt dafür Dank und ich erlaube mir, aus diesen vielen vier Namen zu nennen – wissend, dass ich viele andere auch nennen sollte:
Prof. Roland Ostertag, der den Verein ZdE geründete, Spenden für die Gedenkstätte sammelte, maßgeblich war beim Wettbewerb und der Realisierung durch die Architekten Anne-Christin und Ole Saß.
Jupp Klegraf, auch er ein Mann der ersten Stunde
und Michael Kienzle von der Stiftung Geissstraße.
Besonderen Dank aber möchte ich Frau Beate Müller sagen, die damals die etwa 2500 Namen, die Sie hier auf der Wand der Namen sehen, recherchiert hat und sich erneut in jüngster Zeit dieser Aufgabe wieder unterzog:
Strittig war in der Forschung, wieviele Personen am 26.04.1942 deportiert wurden. Erst jüngste wissenschaftliche Arbeiten, insbesondere von Dr. Steffen Hänschen, brachte Klarheit, dass es 441 Menschen waren. Auf der Wand der Namen hier stehen „nur“ etwa 270. Heute hören wir die von Beate Müller recherchierten Namen der fehlenden 173 Opfer – wir nennen sie bei ihrem Namen und erinnern uns an sie.
Ich bin Andreas Keller vom Verein „Zeichen der Erinnerung“ und danke sehr herzlich für ihr Mitwirken:
Prof. Dr. Roland Müller, Direktor des Stadtarchivs Stuttgart
Muhterem Aras, Präsidentin des Landtages von Baden-Württemberg
Michael Kashi, Vorstandsmitglied der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg
Wilma Heuken – Mitglied der Initiative Stolperkunst des Hotel Silber – sie hat uns schon musikalisch begrüßt und Raum zum Nachdenken geschaffen.
Danken möchte ich – stellvertretend für alle Stuttgarter Initiativen – Harald Stingele vom Hotel Silber und ganz besonders Prof. Uta Kutter von der Akademie für gesprochenes Wort für die wunderbare Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des Sprecherensembles: Jule Hölzgen, Orlando Schenk und Ramon Schmid – sie werden in 3 Abschnitten die Namen der Deportierten lesen und für jedes Opfer einen Stein des Gedenkens vor die Namenswand legen
den Abschluß gestaltet Kantor Nathan Goldman von der IRGW.
All ihnen und den vielen, die auch zur Realisierung Entscheidendes beigetragen haben, sage ich ganz herzlichen Dank und darf nun Herrn Prof. Müller um seine Worte bitten.