In dem Gebet El Male Rachamim – G‘‘tt voll Erbarmen, das Kantor Goldman zum Abschluss mit uns beten wird, heißt es:
Oh Herr der Barmherzigkeit, nimm sie in den Schutz
der Fittiche der Ewigkeit und mögen ihre Seelen
aufgenommen werden im Bunde des Lebens, vereint
mit den Seelen Abrahams, Isaaks und Jakobs, Saras,
Rifkas, Rachels und Leas und mit allen frommen
Männern und Frauen, denen Seligkeit zuteil
geworden ist im Garten Eden.
Sprechen wir: Amen.
Meine Damen und Herren,
sehr geehrte Landtagspräsidentin Aras,
sehr geehrter Herr Keller,
sehr geehrter Prof. Müller,
sehr geehrte Frau Müller,
liebe Zuseherinnen und Zuseher,
die unser Gedenken nachträglich im Internet verfolgen!
Der liebe und barmherzige G‘‘tt nimmt die Seelen der Menschen bei sich auf in den Bund des Lebens.
So lehrt es der jüdische Glaube.
Wir, meine sehr geehrten Damen und Herren,
wir sind als Menschen nach dem Ebenbild G‘‘ttes geschaffen. Sollten uns ebenfalls durch Liebe und Barmherzigkeit auszeichnen.
Doch die 1.700-jährige deutsch-jüdische Geschichte lehrt uns, wie sehr Menschen immer wieder fehlen können.
Am heutigen Tag, vor 79 Jahren, waren es mehr als 440 jüdische Menschen, die ihren Weg von der Blumenhalle – oben auf dem Killesberg – hier an den Nordbahnhof antreten mussten. Um deportiert zu werden.
Deportiert zu werden nach Izbica. Ein Durchgangslager. Und nur eine Hand voll jener (Herr Prof. Müller hat es berichtet), die nach Izbica kamen, hat überlebt. Keine zwei Dutzend …
von schätzungsweise mehr als 19.000 jüdischen Menschen …
Darunter auch die mehr als 440 Menschen dieses zweiten, großen Deportationszugs. Menschen, die damals hier in Württemberg, in der Pfalz, in Luxemburg, Trier und Baden niemand unter seine Fittiche genommen hat. Um sie zu schützen.
Kein Staat. Keine Bürger. Niemand.
Menschen, die man ausgestoßen hatte … verfemt … ausgegrenzt … all ihrer Würde beraubt.
Gnadenlos.
Grundlos.
… und die an genau dieser Stelle vor 79 Jahren ihren Weg in den Tod antreten mussten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
indem wir dieser Menschen Gedenken – aufrichtig gedenken! … sie nicht vergessen,
verschaffen wir ihnen den Platz in unserer gemeinsamen Geschichte,
den sie verdient haben.
Dank Ihres Einsatzes, meine Damen und Herren, kennen wir nunmehr die Namen weiterer Opfer dieses zweiten, großen Deportationszugs. Können wir die anonymen Opfer nunmehr bei ihrem Namen nennen.
Und indem wir ihrer gedenken, nehmen wir sie gewissermaßen wieder in unsere Mitte auf – nehmen sie unter unsere Fittiche …
… tun genau das, was man ihnen einst verwehrt hatte.
Daher möchte ich abschließend im Namen der gesamten jüdischen Gemeinde, meiner Vorstandskollegen Prof. Barbara Traub und Susanne Jakubowski,
allen Beteiligten danken, die am heutigen Gedenken mitgewirkt haben:
Frau Landtagspräsidentin Aras,
Herrn Prof. Müller,
Frau Heuken,
den Mitgliedern der Akademie für gesprochenes Wort
und Kantor Nathan Goldman.
Danken möchte ich auch all jenen, die sich in Jahren und Jahrzehnten Verdienste um die Bewahrung des Angedenkens an diese Menschen erworben haben:
Frau Maria Zelzer sel.A.,
Herrn Prof. Ostertag sel.A.,
Herrn Prof. Sauer sel.A.,
Herrn Keller,
Frau Müller,
Herrn Prof. Müller
und all den anderen.
Zichronam Livracha – möge ihr Angedenken zum Segen sein.