26.04.2021 · Michael Kashi

In dem Gebet El Male Racha­mim – G‘‘tt voll Erbar­men, das Kan­tor Gold­man zum Abschluss mit uns beten wird, heißt es:

         Oh Herr der Barm­her­zig­keit, nimm sie in den Schutz
         der Fit­ti­che der Ewig­keit und mögen ihre See­len
         auf­ge­nom­men wer­den im Bun­de des Lebens, ver­eint
         mit den See­len Abra­hams, Isaaks und Jakobs, Saras,
         Rif­kas, Rachels und Leas und mit allen from­men
         Män­nern und Frau­en, denen Selig­keit zuteil
         gewor­den ist im Gar­ten Eden.
         Spre­chen wir: Amen.

Mei­ne Damen und Her­ren,   
         sehr geehr­te Land­tags­prä­si­den­tin Aras,        
                   sehr geehr­ter Herr Kel­ler,      
                            sehr geehr­ter Prof. Mül­ler,
                                      sehr geehr­te Frau Mül­ler,
lie­be Zuse­he­rin­nen und Zuse­her,
         die unser Geden­ken nach­träg­lich im Inter­net ver­fol­gen!

Der lie­be und barm­her­zi­ge G‘‘tt nimmt die See­len der Men­schen bei sich auf in den Bund des Lebens.

So lehrt es der jüdi­sche Glaube.

Wir, mei­ne sehr geehr­ten Damen und Her­ren,    
wir sind als Men­schen nach dem Eben­bild G‘‘ttes geschaf­fen. Soll­ten uns eben­falls durch Lie­be und Barm­her­zig­keit auszeichnen.

Doch die 1.700-jährige deutsch-jüdi­sche Geschich­te lehrt uns, wie sehr Men­schen immer wie­der feh­len können.

Am heu­ti­gen Tag, vor 79 Jah­ren, waren es mehr als 440 jüdi­sche Men­schen, die ihren Weg von der Blu­men­hal­le – oben auf dem Kil­les­berg – hier an den Nord­bahn­hof antre­ten muss­ten. Um depor­tiert zu werden.

Depor­tiert zu wer­den nach Izbica. Ein Durch­gangs­la­ger. Und nur eine Hand voll jener (Herr Prof. Mül­ler hat es berich­tet), die nach Izbica kamen, hat über­lebt. Kei­ne zwei Dut­zend
von schät­zungs­wei­se mehr als 19.000 jüdi­schen Menschen …

Dar­un­ter auch die mehr als 440 Men­schen die­ses zwei­ten, gro­ßen Depor­ta­ti­ons­zugs. Men­schen, die damals hier in Würt­tem­berg, in der Pfalz, in Luxem­burg, Trier und Baden nie­mand unter sei­ne Fit­ti­che genom­men hat. Um sie zu schützen.

                            Kein Staat. Kei­ne Bür­ger. Niemand.

Men­schen, die man aus­ge­sto­ßen hat­te … ver­femt … aus­ge­grenzt … all ihrer Wür­de beraubt.

         Gnadenlos.

                   Grundlos.

… und die an genau die­ser Stel­le vor 79 Jah­ren ihren Weg in den Tod antre­ten mussten.

Mei­ne sehr geehr­ten Damen und Her­ren,    

indem wir die­ser Men­schen Geden­ken – auf­rich­tig geden­ken! … sie nicht vergessen,

         ver­schaf­fen wir ihnen den Platz in unse­rer gemein­sa­men Geschich­te,
         den sie ver­dient haben.

Dank Ihres Ein­sat­zes, mei­ne Damen und Her­ren, ken­nen wir nun­mehr die Namen wei­te­rer Opfer die­ses zwei­ten, gro­ßen Depor­ta­ti­ons­zugs. Kön­nen wir die anony­men Opfer nun­mehr bei ihrem Namen nennen.

Und indem wir ihrer geden­ken, neh­men wir sie gewis­ser­ma­ßen wie­der in unse­re Mit­te auf – neh­men sie unter unse­re Fittiche …

         … tun genau das, was man ihnen einst ver­wehrt hatte.

Daher möch­te ich abschlie­ßend im Namen der gesam­ten jüdi­schen Gemein­de, mei­ner Vor­stands­kol­le­gen Prof. Bar­ba­ra Traub und Susan­ne Jaku­bow­ski,
allen Betei­lig­ten dan­ken, die am heu­ti­gen Geden­ken mit­ge­wirkt haben:         
Frau Land­tags­prä­si­den­tin Aras,
         Herrn Prof. Mül­ler,
         Frau Heu­ken,
         den Mit­glie­dern der Aka­de­mie für gespro­che­nes Wort
         und Kan­tor Nathan Gold­man.

Dan­ken möch­te ich auch all jenen, die sich in Jah­ren und Jahr­zehn­ten Ver­diens­te um die Bewah­rung des Ange­den­kens an die­se Men­schen erwor­ben haben:
         Frau Maria Zel­zer sel.A.,
         Herrn Prof. Oster­tag sel.A.,
         Herrn Prof. Sau­er sel.A.,
         Herrn Kel­ler,
         Frau Mül­ler,
         Herrn Prof. Mül­ler
         und all den ande­ren.

Zichron­am Liv­racha – möge ihr Ange­den­ken zum Segen sein.