* 6. Juni 1899 in Neudenau an der Jagst,
† 18. August 1987 in San Diego
»Endlich Boden unter den Füßen«
Mit Blick auf Bremerhaven steht Carola Rosenberg-Blume im April 1936 an der Reling der »Washington«; die Reise in die USA beginnt, ihr Mann, ihre Söhne und sie hoffen dort »endlich wieder Boden unter den Füßen zu haben«.
Carola Rosenberg genießt in ihrer Kindheit im jüdischen Elternhaus eine exzellente Erziehung und Bildung. Die Mutter, ehemalige Verkäuferin in einem Modegeschäft, und der Vater, Betreiber eines Kolonialwarenladens, legen großen Wert darauf, dass ihre Kinder »es mal zu etwas bringen«. So besucht Rosenberg das Realgymnasium für Jungen in Heilbronn bis zum Abitur 1919. Zu dieser Zeit gründet sie bereits eine Mädchengruppe und wünscht sich »das Zusammensein von Buben und Mädchen als etwas Selbstverständliches«. Carola Rosenberg studiert verschiedene geisteswissenschaftliche Fächer in Heidelberg und besucht nebenbei Seminare in Volkswirtschaft und Psychologie, ihr Wissensdurst ist nicht zu stillen. Sie hört Vorlesungen bei Friedrich Gundolf und kommuniziert per Brief mit dem Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Max Kommerell; sie tauschen Gedichte aus und diskutieren über Literatur. Doch Rosenberg erkennt bald, dass sie nicht nur reden, sondern auch selbst handeln möchte. Sie will sich auf etwas »Eindeutiges und Festes« konzentrieren – sie beginnt sich engagiert mit ›der Frauenfrage‹ zu beschäftigen. Nach ihrer Dissertation über Die Berufseinstellung und ‑interessen der weiblichen Jugend im Jahr 1923 und mehreren Praktika erhält Carola Rosenberg, die zwei Jahre später den Stuttgarter Schriftsteller und Bühnenautor Bernhard Blume heiratet, 1924 eine Chance: Sie soll die Frauenabteilung der Stuttgarter Volkshochschule aufbauen und leiten. Carola Rosenberg-Blume erarbeitet ein herausragendes Bildungsprogramm für Frauen, sie hat Erfolg in ganz Deutschland. Ihr Ziel ist es, die Allgemeinbildung der benachteiligten Frauen zu verbessern und dadurch das Bewusstsein ihrer erwachsenen Schülerinnen zu wecken. So gibt es Kurse in Zusammenarbeit mit der Akademie der bildenden Künste oder Veranstaltungen zu »Goethes Frauengestalten in Dichtung und Leben«. Die Kurse finden in der Volkshochschule, in Gemeindesälen und in vierzehn Stuttgarter Großbetrieben, darunter Bosch, Breuninger, Waldorf-Astoria und Lang statt. Carola Rosenberg-Blume – inzwischen Mutter zweier Söhne – wird als Jüdin und Kommunistin nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 entlassen. Weil sie in Deutschland kein Auskommen mehr für sich findet, reist sie im November 1935 in die USA, um nach Anstellungen für sich und ihren Mann zu suchen. Dank früherer Kontakte kehrt sie mit Perspektiven für beide zurück: ein Forschungsstipendium für sich und eine Gastprofessur an einem Mädchencollege in Kalifornien für ihren Mann. Der jungen Familie gelingt die Flucht, doch Carolas Vater und andere Mitglieder ihrer Familie werden später in Konzentrationslagern umkommen. Das Ehepaar Rosenberg-Blume findet in Amerika einen Ort »zum Aufatmen und für unbedrohte Tätigkeiten«. Schon 1936 kann Rosenberg-Blume an ihre berufliche Tätigkeit anknüpfen. Sie übernimmt einen Lehrauftrag für Erwachsenenbildung am Mills College in Oakland/Kalifornien, wo Bernhard Blume zur selben Zeit »Visiting Professor« für deutsche Sprache und Literatur wird. 1949 promoviert Carola Rosenberg-Blume in Klinischer Psychologie und arbeitet bis zu ihrer Pensionierung bei verschiedenen öffentlichen Einrichtungen. mw
Anne-Christel Recknagel: »Weib, hilf dir selber!« Leben und Werk der Carola Rosenberg-Blume. Stuttgart und Leipzig 2002 (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart, Bd. 92).