Elfriede Spiro
* 21. April 1894 in Bad Dürkheim,
† 23. Januar 1943 in Auschwitz (für tot erklärt)
Hans Spiro
* 15. Juli 1898 in Landau/Pfalz,
† 19. März 1943 in Auschwitz
Ludwig Spiro, der Vater von Hans und seiner Schwester Elfriede Spiro, studiert in Tübingen und München und wird 1897 zum Doktor der Philosophie promoviert. Als Gymnasialprofessor lehrt er zuerst in Tübingen, später in Schwäbisch Gmünd Latein und Französisch. Bereits am 6. Januar 1902 tritt er in Stuttgart zum evangelischen Glauben über, während seine Frau Jertha ihr Leben lang ihren jüdischen Glauben beibehält.
Ludwig Spiro ist ein renommierter Goethe-Forscher und besitzt eine weithin bekannte Goethe-Bibliothek. Im Jahr 1939 schließt ihn die Weimarer Goethe-Gesellschaft, der er seit Studententagen angehört, aus. Als letzter Gasthörer wird ihm, nachdem es schon keine immatrikulierten jüdischen Studenten mehr in Tübingen gibt, nach dem Sommersemester 1940 auch das Betreten der Tübinger Universität untersagt. Sein Tod nach langer Krankheit am 23. März 1941 erspart ihm die Deportation, der seine Kinder zum Opfer fallen. Seine Frau ist schon 1929 gestorben. Sofort nach seinem Tod wird seine Wohnung versiegelt und seine umfangreiche Bibliothek versteigert. Hans Spiro, der zusammen mit seiner Schwester Elfriede am Tag der Konvertierung ihres Vaters in der Stuttgarter Stiftskirche evangelisch getauft wird, macht eine Lehre zum Bankkaufmann in Tübingen. 1916 wird er an die Westfront eingezogen. Nach schwerer Verwundung kommt er zur Passzentrale in Lille/Frankreich, wird aber in den letzten Kriegsmonaten nochmals an der Front eingesetzt. Nach dem Krieg schließt er seine unterbrochene Bankausbildung ab und arbeitet erst als Bankbeamter in Tübingen, später als Prokurist. 1923 heiratet er in Bochum Klara Teckemeyer, eine Nichtjüdin, im folgenden Jahr wird die Tochter Liselotte geboren. Nachdem er 1936 Berufsverbot erhält, arbeitet er illegal als Buchhalter beim Straßenbaumeister Wilhelm Hahn in Tübingen, als Reklamefachmann in Reutlingen und als Werbefachmann beim Reutlinger Generalanzeiger. Am 10. November 1938 wird auch Hans Spiro in der Verhaftungswelle nach der so genannten »Reichspogromnacht« festgenommen und nach Dachau verschleppt, wo er rund einen Monat festgehalten wird. »Mitte Dezember, früh am Morgen, kehrte mein Vater aus Dachau zurück. Wir waren erschüttert über sein Aussehen: Die Haare waren kurz geschoren, der Anzug hing lose an seinem abgemagerten Körper, die Wangen waren eingefallen«, erinnert sich die Tochter Liselotte. Lange hatten sich die Partner in einer Mischehe, so auch die Spiros, geschützt geglaubt, zumal Hans Spiro evangelisch getauft war. Nun sehen auch sie sich direkter Verfolgung ausgesetzt. Im Sommer 1939 wird Liselotte mit einem Kindertransport der Jüdischen Kultusgemeinde Stuttgart nach Südengland in Sicherheit gebracht, wo sie in Bournemouth auf ein Internat geht. Sie verbringt den Rest ihres Lebens in England. Schon kurz darauf, im November 1939, wird Hans Spiro wiederum verhaftet und zuerst in Tübingen, dann in Stuttgart ins Gefängnis gebracht; noch einmal kommt er frei. Am 4. Dezember 1942 wird Spiro zum dritten Mal verhaftet und ins Konzentrationslager Welzheim transportiert. Von dort wird er am 27. Januar 1943 weiter nach Auschwitz deportiert, wo er am 19. März 1943 umgebracht wird.
Elfriede Spiro besucht in Tübingen die Höhere Töchterschule. Nach dem Tod der Mutter führt sie ihrem Vater den Haushalt bis zu dessen Tod. Am 20. August 1942 wird sie in Tübingen verhaftet und in das Sammellager auf dem Stuttgarter Killesberg verschleppt. Von dort aus wird sie zwei Tage später nach Theresienstadt deportiert. 1943 kommt sie nach Auschwitz, wo sie vermutlich gleich nach ihrer Ankunft ermordet wird. Nach dem Krieg lässt Klara Spiro in einer der ersten Nummern des Tübinger Amtsblattes für ihren Mann eine Traueranzeige abdrucken, die den Tod im Konzentrationslager ausdrücklich erwähnt.sk
Andrea Hoffmann: »Es wurde uns jetzt zur Gewissheit?«. Die Todesanzeige für Hans Spiro. In: Zerstörte Hoffnungen. Wege der Tübinger Juden. Hrsg. von der Geschichtswerkstatt Tübingen. Tübingen 1995 (Beiträge zur Tübinger Geschichte, Bd. 8). S. 397–400.