Hanna und Adolph Bernheim

Familie Bernheim in den 1940er Jahren in Cincinnati/Ohio

Han­na Bern­heim, geb. Bach
* 11. Sep­tem­ber 1895 in Augsburg,
† 4. Febru­ar 1990 in Ohio

Adolph Bern­heim
* 11. Juli 1880 in Hechingen,
† 19. März 1966 in Cincinnati/Ohio

Systematisch beraubt und ausgeplündert

»Wenn man nicht mehr akzep­tiert wird, geht man leich­ter fort.« Mit die­sen lako­ni­schen Wor­ten beschreibt Hans Bern­heim die Situa­ti­on von 1938. Doch es ist ein schmerz­li­cher Weg, bis die Fabri­kan­ten­fa­mi­lie erkennt, dass sie ihr gewohn­tes Leben in Deutsch­land nicht mehr füh­ren kann.

 

Fami­lie Bern­heim 1965 anläss­lich des 85. Geburts­tags von Adolph Bern­heim (hin­te­re Rei­he, drit­ter von rechts), 1965

Adolph Bern­heim lei­tet mit sei­nen Brü­dern in Bronn­wei­ler und Goma­rin­gen (bei Reut­lin­gen) einen mit­tel­stän­di­schen Tex­til­be­trieb. Über die schwie­ri­gen Wirt­schafts­ver­hält­nis­se zu Beginn des zwan­zigs­ten Jahr­hun­derts hin­weg erhal­ten sie die Fir­ma. 1930 zieht Bern­heim mit sei­ner Frau Han­na, Toch­ter eines Augs­bur­ger Kauf­manns, und den bei­den Kin­dern von Bronn­wei­ler nach Tübin­gen. Mit viel­fäl­ti­gem Enga­ge­ment brin­gen sich die Ehe­leu­te in das jüdi­sche und bür­ger­li­che Leben der Stadt ein. Doch auch in Tübin­gen wird von 1933 an der Druck durch die Natio­nal­so­zia­lis­ten spür­bar. Die Geschäfts­part­ner zie­hen sich zurück, Geschäfts­be­zie­hun­gen mit Juden wer­den von den neu­en Macht­ha­bern auf viel­fäl­ti­ge Wei­se behin­dert und ange­pran­gert. Im März 1938 zwin­gen die­se Maß­nah­men die Brü­der zum Ver­kauf der Fir­ma weit unter Wert. Auf den Erlös haben sie kei­nen frei­en Zugriff. Von 1938 an wird die Fami­lie durch wei­te­re Zwangs­maß­nah­men der gleich­ge­schal­te­ten Behör­den sys­te­ma­tisch aus­ge­plün­dert: Im Som­mer müs­sen Wert­ge­gen­stän­de aller Art abge­lie­fert wer­den. Von Wert­pa­pier­ver­käu­fen wer­den Adolph Bern­heim gera­de ein­mal sechs Pro­zent gut­ge­schrie­ben und vor der Aus­rei­se wird eine Reichs­flucht­steu­er von einem Vier­tel des Ver­mö­gens ein­ge­zo­gen. Der ver­blie­be­ne Haus­rat, des­sen Trans­port bereits bezahlt ist, kommt nie in den USA an. Die Unver­fro­ren­heit der Natio­nal­so­zia­lis­ten zeigt sich am dras­tischs­ten in der hohen »Süh­ne­leis­tung«, die alle Juden nach der so genann­ten »Reichs­po­grom­nacht« zu zah­len haben obwohl die Zer­stö­run­gen durch NS-Grup­pie­run­gen ange­rich­tet wur­den. Als die Fami­lie Bern­heim im Juli 1939 in den USA ein­trifft, ist ihr nur ein Bruch­teil des eins­ti­gen Besit­zes geblie­ben. Die Ein­glie­de­rung in der neu­en Hei­mat fällt schwer, Adolph Bern­heim arbei­tet als ein­fa­cher Ange­stell­ter. Erst die Wie­der­gut­ma­chungs­zah­lun­gen in den 1950er Jah­ren befrei­en Han­na und Adolph Bern­heim von mate­ri­el­len Sor­gen. An eine Rück­kehr nach Deutsch­land haben sie nie gedacht. hs

Ulri­ke Baum­gärt­ner: Die Emi­gra­ti­on der Fami­lie Bern­heim – Rekon­struk­ti­on einer Aus­plün­de­rung und Ver­trei­bung. In: Zer­stör­te Hoff­nun­gen. Wege der Tübin­ger Juden. Hrsg. von der Geschichts­werk­statt Tübin­gen. Tübin­gen 1995 (Bei­trä­ge zur Tübin­ger Geschich­te, Bd. 8). S. 303–314.