* 10. Februar 1898 in Stuttgart,
† 24. März 1978 in Stuttgart
»Das Tragen des gelben Sterns war eine Qual«
Die 1898 in Stuttgart geborene Chemikerin Martha Haarburger arbeitet viele Jahre für die Firma Siegle und Co. in Stuttgart. Als sich die Lage für jüdische Mitbürger immer mehr zuspitzt, zögert die Firmenleitung ihre Entlassung so weit wie möglich hinaus, aber nach der so genannten »Reichspogromnacht« im November 1938 wird Haarburger letztendlich doch entlassen. Ende 1941 schildert ihre Freundin Luzie Breitling, die Martha Haarburger zusammen mit anderen nicht-jüdischen Freunden so gut es geht unterstützt, Hans Walz, dem Direktor der Robert Bosch GmbH in Stuttgart, Haarburgers prekäre Lage. Wie vielen weiteren jüdischen Mitbürgern hilft er auch Martha Haarburger, indem er ihr eine Stelle bei Bosch verschafft. Dort arbeitet sie bis zu ihrer Deportation in ihrem Fachbereich, der Farbenchemie. Durch ihre Beschäftigung bei Bosch wird sie mehrmals von Deportationen in den Osten freigestellt, da die Firma angibt, nicht auf ihre Mitarbeit verzichten zu können. Dennoch muss sie bei Bosch ab dem Mai 1942 außerhalb des eigentlichen Werks arbeiten und darf nur noch mit ihren direkten Vorgesetzten sprechen. Martha Haarburger und ihre Mutter Gertrud werden schon 1939 gezwungen, ihre gemeinsame Wohnung in der Stuttgarter Innenstadt zu verlassen und nach Sillenbuch umzuziehen. Im August 1942 wird die Mutter dann zusammen mit mehr als tausend vor allem alten jüdischen Menschen auf dem Killesberg gesammelt und nach Theresienstadt deportiert. Es gelingt Martha Haarburger, sich als Helferin auf dem Killesberg einsetzen zu lassen, wo sie ihre Mutter zum letzten Mal sieht und sich verabschieden kann. Gertrud Haarburger stirbt im März 1943 in Theresienstadt, drei Monate bevor ihre Tochter selbst dorthin deportiert wird. Im Juni 1943 wird Martha Haarburger einem Transport nach Auschwitz zugeteilt, von dem alle Deportierten sofort nach ihrer Ankunft vergast werden. Nur dank der nochmaligen Hilfe von Hans Walz wird sie in einen Transport nach Theresienstadt neu eingeteilt. Ende 1943 steckt sich Martha Haarburger in Theresienstadt aufgrund der katastrophalen hygienischen Bedingungen an einer epidemisch das Lager befallenden Augenkrankheit an, die ihr zeitweise das Augenlicht raubt. Trotz weiterer schwerer Krankheiten muss sie hart arbeiten, bis sie im Februar 1945 mit Darmgeschwüren in die Krankenstation eingeliefert wird. Nach sechzehn Wochen im Spital erlebt sie am 9. Mai 1945 die Befreiung durch die russische Armee.
Wieder zurück in Stuttgart lebt Martha Haarburger in Degerloch. Sie wird Leiterin des Hippokrates-Verlags, welcher der Nachlassverwaltung des Robert Bosch Erbes gehört und Literatur über Naturheilverfahren verlegt. Schon vor ihrer Deportation hatte Martha Haarburger engen Kontakt zur Christengemeinschaft, einer Religionsgemeinschaft, die Christentum mit Elementen der Anthroposophie verbindet. Auch in Theresienstadt nimmt sie zu anderen Mitgliedern der Christengemeinschaft Kontakt auf. In ihren persönlichen Aufzeichnungen betont sie, dass sich die Mitglieder dieser kleinen Gruppe wesentlichen Halt und Unterstützung während der Lagerhaft gaben. In den letzten Jahren bis zu ihrer Pensionierung 1959 arbeitet sie als Lektoratsleiterin des Verlags. Im Alter lebt Martha Haarburger im Wohnstift Augustinum in Stuttgart-Riedenberg. Ihr Nachlass befindet sich im Stadtarchiv Stuttgart. sk
Maria Zelzer: Weg und Schicksal der Stuttgarter Juden. Ein Gedenkbuch. Hrsg. von der Stadt Stuttgart. Stuttgart [1964] (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart, Sonderband). S. 230–240.